Was ist selbstverletzendes Verhalten?
Mit selbstverletzendem Verhalten bezeichnet man jegliche Form der absichtlichen unmittelbaren Selbstschädigung der eigenen Person ohne Suizidabsicht.
Die häufigste Form der Selbstverletzung stellt das Zufügen von Schnittverletzungen mit scharfen oder spitzen Gegenständen wie Rasierklingen, Scherben etc. dar. Dieses sogenannte Ritzen findet überwiegend an Armen und Beinen statt, kann aber – wie jede andere Form der Selbstverletzung – grundsätzlich an jeder Stelle des Körpers ausgeübt werden.
Weitere Formen der Selbstverletzung sind u.a. absichtliche Verbrennungen/ Verbrühungen der Haut, Schlagen des Kopfes gegen harte Gegenstände, Abschnüren von Blutgefäßen, Aufkratzen der Haut.
Besonders bei Jugendlichen zwischen 12 und 15 Jahren sind autoaggressive Phänomene weit verbreitet. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei 25-35 Prozent.
Häufig wird selbstverletzendes Verhalten, insbesondere das Ritzen, irrtümlich mit der Borderline-Störung gleichgesetzt. Selbstverletzung ist zwar ein Symptom, das im Rahmen dieser Persönlichkeitsstörung auftreten kann, aber nicht zwingend auftreten muss. Auch bei vielen anderen psychischen Krankheiten wie beispielsweise bei Zwängen und Depressionen kann selbstverletzendes Verhalten vorkommen.
Ursachen der Selbstverletzung
Die Ursachen für selbstverletzendes Verhalten sind multifaktoriell. Genetische Prädispositionen spielen ebenso eine Rolle wie neurobiologische Prozesse. Beispielsweise geht man davon aus, dass ein niedriger Serotoninspiegel mit selbstverletzendem Verhalten korreliert.
Oft geht der Selbstschädigung ein langanhaltender psychischer Leidensdruck voraus.
Die Selbstverletzung erfüllt dann eine Art Ventilfunktion: Mittels selbst zugefügter Verletzungen und den damit einhergehenden Schmerzen regulieren Betroffene innere Spannungszustände und intensive, unangenehme Emotionen. Die massiven, teilweise als überwältigend erlebten Gefühle, werden durch die Schmerzreize sozusagen kanalisiert und dadurch in ihrer Intensität vermindert. Auch unangenehme Flashbacks (Nachhallerinnerungen), die z.B. als Folge traumatischer Erfahrungen auftreten, werden durch diese dysfunktionale Methode zu „behandeln“ versucht.
Andererseits dient Selbstverletzung manchen auch dazu, überhaupt etwas zu spüren. Der inneren Leere, einem Gefühl der Gefühllosigkeit, wie es bei depressiven Verstimmungen typisch ist, wird bewusst der Schmerz entgegen gesetzt. Auch das Selbstbestrafung und das Beenden von dissoziativen Situationen sind Motive für autoaggressives Verhalten.
Durch die ausgeschütteten Endorphine („Glückshormone“) sowie das Freisetzen von körpereigenen Opioiden die auf den Schmerzreiz folgen, kann eine Art Teufelskreis aus Anspannung – Selbstverletzung – Entspannung entstehen. Frequenz und Ausmaß der Selbstverletzungen nehmen zu, um die entlastende Funktion, die damit assoziiert und empfunden wird, zu erfahren. Das selbstverletzende Verhalten kann hier suchtähnlichen Charakter annehmen.
Cave: selbstverletzendes Verhalten ist eine ernstzunehmende psychiatrische Störung mit Krankheitswert. Grundsätzlich besteht immer die Gefahr, dass eine Verletzung massiver ausfällt als beabsichtigt und so u.U. lebensbedrohlich wird; außerdem steigt durch selbstverletzendes Verhalten das Risiko eines späteren Suizidversuches.
Selbsthilfe-Tipps für Betroffene
Skillstraining
Finde eine Ersatzhandlung für das selbstverletzende Verhalten, die einen starken Sinnesreiz auslöst wie beispielsweise Eiswürfel über den Arm streichen, kalt duschen, einen Igelball kneten, in eine Chilischote beißen, ein Gummiband am Handgelenk schnalzen lassen.
Verzögerungstaktik
Schiebe den Impuls dich selbst zu verletzen 15 Minuten auf. Lenke dich in der Zwischenzeit mit Social Media, einem Spaziergang o.ä. ab. Verschiebe anschließend den Impuls um weitere 15 Minuten usw.
Entspannungstechniken
Wende eine Entspannungstechnik wie Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxation an.
Gefühle zulassen
Weine und schreie, wenn dir danach ist. Teile einem Freund oder einer Freundin mit, wie es dir gerade geht oder schreibe deine Gedanken und Gefühle auf.
Mein Hilfsangebot
Selbstverletzendes Verhalten ist für Betroffene häufig mit Scham und Schuld behaftet. Meine psychotherapeutische Praxis bietet hier einen sicheren Schutzraum für die Bandbreite deiner Emotionen.
Anamnese und Diagnostik
Zunächst erstelle ich eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik und darauf basierend einen für dich maßgeschneiderten Therapieplan. Es ist immens wichtig Komorbiditäten, also das Vorliegen weiterer Symptome und Erkrankungen zusätzlich zum selbstverletzenden Verhalten, zu erkennen und adäquat zu behandeln.
Trigger identifizieren und neue Verhaltensweisen etablieren
Gemeinsam identifizieren wir die Auslöser (Trigger) für dein selbstverletzendes Verhalten und erarbeiten anschließend hilfreiche Strategien im Umgang mit unangenehmen Gefühlen wie Trauer, Angst, Enttäuschung, Wut und Einsamkeit. Unter Umständen kann es hilfreich sein, Familienangehörigen und Freunden in die Therapie mit einzubeziehen.
Auch Selbsttwertübungen und Rollenspiele können dir dabei helfen neue Verhaltensweisen zu etablieren.
Rückfallprophylaxe
Um einen Rückfall in selbstverletzende Verhaltensmuster zu verhindern erstellen wir einen individuellen Notfallplan für kritische Situationen.